Bisher ging man davon aus, die Gewässergüte über den Phosphorgehalt steuern zu können: je weniger Phosphor, desto besser die Gewässergüte. Tatsächlich wurde so eine Verbesserung vieler, aber längst nicht aller Gewässer erreicht. Weniger beachtet wurde bisher die Möglichkeit, dass auch Stickstoff die Gewässergüte beeinflusst. Brauchen wir nun also zusätzlich die Stickstoffdiät?
Dies aufzuklären, war Ziel des Forschungsprojektes "Nitrolimit". Wissenschaftler aus sieben Forschungseinrichtungen erarbeiteten darin gemeinsam, ob die
Stickstoffreduktion ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar ist. Nach zweijähriger Forschungsarbeit präsentierten sie nun erste Ergebnisse. Diese Ergebnisse dürften auch für die Planer und Erbauer von Schwimmteichen und Naturpools von großer Bedeutung sein.
373 natürliche Badeseen im Visier
Im Visier der Wissenschaftler standen 373 Seen vom südlichen Brandenburg
bis zur Ostsee. Drei Viertel dieser Seen befindet sich in einem mäßigen bis schlechten ökologischen Zustand. Das ist weit entfernt von den Forderungen der Europäischen Union, denen zufolge bis 2015 alle Seen einen guten ökologischen Zustand erreicht haben sollen. Es konnte gezeigt werden, dass die Algenbiomasse in 43 Prozent der Seen durch Phosphor und in 36 Prozent durch Stickstoff begrenzt wird. Demnach ist Stickstoff für die Gewässergüte weit häufiger ausschlaggebend als bisher angenommen.
Besonders in Seen von geringer Tiefe, beispielsweise dem Berliner Müggelsee, ist Stickstoff für die Algenentwicklung im Sommer entscheidend. In solchen Gewässern könnte eine Verbesserung des ökologischen Zustandes daher durch eine Verminderung der Einträge von Stickstoff erzielt werden. Die Ergebnisse belegen, dass die bisheriger Anstrengungen zur Verbesserung der Gewässergüte durch Minderung der Einträge von Phosphor richtig waren. Sie zeigen jedoch auch, dass zusätzlich die Reduktion der Einträge von Stickstoff in Erwägung gezogen werden sollten.
Wo kommt all der Stickstoff her?
Die Wissenschaftler sind auch der Frage nachgegangen, aus welchen Quellen
der Stickstoff stammt. Am Beispiel der Unteren Havel bei Berlin konnten sie zeigen, dass die Hälfte des Stickstoffs aus landwirtschaftlichen Flächen, vornehmlich in Form überschüssiger Düngemittel, und ein weiteres Viertel aus urbanen Gebieten stammen, beispielsweise Kläranlagen. Will man Stickstoffeinträge reduzieren, besteht somit das größte Potenzial in der Landwirtschaft. Welche Maßnahmen sich hierfür eignen und welche Kosten damit verbunden sind, das soll bis Ende 2013 ermittelt werden. Auch Verminderungen der Stickstoffeinträge aus urbanen Gebieten, beispielsweise aus Kläranlagen, wurden berücksichtigt.
Großkläranlagen entfernen etwa 80 Prozent des Stickstoffs aus dem Abwasser. In "Nitrolimit" wurde ermittelt, dass zur Steigerung der Reinigungsleistung Kosten in Höhe von 5 bis13 Euro pro Kilogramm Stickstoff entstehen, was sich auf mehrere Millionen Euro pro Jahr summiert. Dieses Beispiel illustriert, dass Gewässerschutz mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden ist, die letztlich auch die Steuerzahler tragen.
Um zu klären, ob Stickstoffreduktion ökonomisch vertretbar ist, wurden daher nicht nur Kosten der Gewässersanierung, sondern auch die Zahlungsbereitschaft von Bürgern ermittelt. Erste Ergebnisse aus Berlin und
Brandenburg zeigen, dass bei einer Zahlungsbereitschaft von 50 Euro pro
Haushalt und Jahr Investitionen von 284 Millionen Euro für den Gewässerschutz vertretbar wären. Den Umfrageergebnissen zufolge würden die Berliner dabei übrigens gern tiefer in die Tasche greifen als die Brandenburger.
Bis Ende 2013 will das "Nitrolimit"-Team eine Kosten-Nutzen-Analyse für ausgewählte Regionen in Berlin und Brandenburg vorlegen. Die bisherigen Ergebnisse deuten bereits darauf hin, dass eine Verminderung der Einträge von Stickstoff für viele Gewässer nicht nur aus ökologischer Sicht sinnvoll, sondern auch aus ökonomischer Sicht vertretbar ist.
"Nitrolimit" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Das Projekt wird von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus geleitet und gemeinsam mit Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Gewässerkunde, dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, der Technischen Universität Berlin und der Technischen Universität Dresden realisiert.